Base Camp – Aufstieg

Teil VI: Base Camp, Plaza de Mulas (4.360m)

Basislager auf der Plaza de Mulas

Nach der Ankunft im Basislager auf der Plaza de Mulas übernahmen wir das vom Muli-Shuttle abgelieferte Gepäck und richteten uns „häuslich“ ein. Meist sucht man sich ein Plätzchen in der Nähe des Zelts der Trekkingagentur, deren Muli-Dienste man in Anspruch genommen hatte, bei uns war das „Lanko“. Jede Agentur hat während der Saison einen Mitarbeiter vor Ort, der einem dann mit allem möglichen aushelfen oder Ratschläge erteilen. Bei uns war das die charmante Nina. Von Nina erhielten wir auch den wirklich traumhaft schönen Zeltplatz an dem winzigen Gletschersee „zugewiesen“.

Das Base Camp ist während der Hochsaison schon fast ein kleines Dorf, es sind bestimmt 300 Leute gleichzeitig vor Ort, es gibt quasi Zelt-Straßen und „Viertel“ größerer Agenturen, dazwischen schlagen Inidividual-Trekker wie wir ihre Zelte auf. Es gibt am Rand der Zeltstadt mehrere Latrinen, die jedes Jahr neu gegraben werden. Die Latrinen sind quasi nur aufgesetzt, den oberen Teil kann man abklappen, die Tonnen mit den Fäkalien werden dann ab und an von einem Hubschrauber herausgehoben und ausgeflogen (s. Photos). Ansonsten kann man „auswärts essen“, Cola, O-Saft, Bier etc. kaufen und es gab ein Cybercafé, was wir aber alles ignoriert haben. Auf der anderen Seite des Gletschers gibt es ein schräges Hotel, in dem es eine Telefonzelle gibt. Die Tage im Basislager waren großartig, traumhaftes Wetter, überall lungerten Bergsteiger rum, es kamen neue Leute, manche gingen schon wieder runter (oder wurden ausgeflogen…), die Aussicht ist grandios, auch wenn man den „Feind“ die ganze Zeit vor Augen hat und einem der Anblick schon Respekt einflößt. Und solche Details wie die eingefrorenen Löffel im Abwasch oder daß man morgens erstmal ein Loch in den See hacken muß, um an Wasser für´s Zähneputzen zu kommen, machen die Sache auch spannend. Bei dem traumhaften Wetter konnten wir fast immer in der Sonne sitzend den Kocher anwerfen und draußen dinieren.

Wir haben zunächst mal 4 Tage im B.C. verbracht mit gelegentlichen Ausflügen zum Hotel oder in ein Seitental zur besseren Akklimatisation. Während der ganzen Zeit hatten wir überwiegend gutes Wetter, tagsüber war es in der Sonne schon ganz angenehm, ca. 10-15 Grad, nachts fielen die Temperaturen dann schon auf deutlich unter Null.

Der Plan

Unser Plan für die Besteigung sah so aus:

Tagestrip mit den richtig warmen Klamotten, Ausrüstung die wir erstmal nicht brauchen würden und Proviant vom Basislager bis zum Cambio de Pendiente („Änderung der Steigung“) auf 5.200m, da. 4-6h.

Dort die Sachen hinter irgendwelchen Felsen bunkern, dann wieder runter ins Basislager. Am nächsten Tag oder einem weiteren Ruhetag (je nach Wetter) Aufstieg zum Camp Canada (4.930m), c. 4h.

Am nächsten Morgen Aufstieg von Camp Canada zum Nido de Condóres (ca. 5.570m), ca. 2h, dort Zelt aufschlagen. Am nächsten Tag kurz wieder runter nach Cambio de Pendiente, die gebunkerten Säcke abholen, noch eine Nacht in Nido.

Dann Aufstieg zum Refugio Berlin (YEAH!!! Home, Sweet, Home) auf 5.950m, dort Übernachtung, am nächsten Morgen sehr früh (ca. 4.00 – 5.00Uhr) fertig machen für den Gipfelsturm, je nach Wetter und Temperatur, gegen Mittag hofften wir den Gipfel zu erreichen, gegen späten Nachmittag wollten wir wieder im Lager Berlin sein, ggf. wieder bis Nido absteigen.

Soweit der Plan. Es kam ein wenig anders…

Teil VII: Basislager – Camp Canada (4.930m)

Camp Canada (4.930m)

Der erste Aufstieg zum Camp Canada (ca. 600 Höhenmeter) ging recht flott über die Bühne, eine kurze Rast ca. in der Mitte des Hangs bei den Piedras Conway, ab da zog der Himmel zu und es wurde empfindlich kalt. Gegen 14.00 Uhr waren wir dort, bauten das Zelt auf und begannen mit dem Kocher Schnee und Eis abzuschmelzen, damit wir genügend zu trinken hatten.  Wie schon erwähnt, läuft die Höhenanpassung physiologisch über eine Änderung des pH-Werts des Bluts (und die Bildung von roten Blutkörperchen) und setzt ständiges Trinken voraus. Jeder muß mindestens 4 Liter pro Tag trinken, sonst ist die Höhenkrankheit fast vorprogrammiert. Das führt dazu, daß man andauernd den Kocher laufen läßt und Schnee abtaut, was erstaunlich lange dauert. Man ist also entweder mit dem Kocher und trinken beschäftigt oder man ist draußen, um das Wasser wieder loszuwerden. Also immer raus aus dem Schlafsack, nötigste Klamotten an, Schuhe an, raus und das ganze wieder rückwärts…

Am späten Nachmittag entwickelte Björn aber immer heftigere Höhenkompfschmerzen. Neben uns war ein spanisches Filmteam, die irgendwelche Doku-Soap-Darsteller begleiteten. Deren Arzt warf einen Blick auf Björn und riet dringend zum Abstieg, was vernünftig war (auch wenn die Vorstellung, den Weg nach Canada nochmal hochzugehen, nicht gerade zu Begeisterungsstürmen führte). Wir haben unser Zelt nur halb abgebaut (Stangen raus) und mit Steinen beschwert, damit wir es nicht nochmal hochschleppen mußten. Zügig ging es wieder runter ins Basislager, wo wir im Mannschaftszelt von Lanko übernachteten. Am nächsten Tag war überwiegend schlechtes Wetter, es schneite, aber am Abend zeigte sich der frisch bestäubte Aconcagua von seiner fotogensten Seite (siehe Bilder).

Teil VIII: Camp Canada (4.930m)- Nido de Condores (5.570m)

Am Cambio de Pendiente

Nach dem weiteren Ruhetag, der von Björn mit einem kleinen Ausflug zu den Piedras Conway auch zu Akkli-Zwecken genutzt wurde, stiegen wir wieder nach Camp Canada auf, diesmal in strahlendem Sonnenschein. Die zusätzliche Akklimatisationsdauer hatte sich ausgezahlt, denn diesmal gab es keine Probleme. Es war warm genug, um draußen zu kochen und Schnee zu schmelzen, abends konnten wir bei fast wolkenlosem Himmel die Aussicht genießen. Hier fühlte es sich richtig nach Bergsteigen an!

Für die, die es nicht selbst kennen: Über 4.500m Höhe schläft man sowieso nicht mehr besonders gut, so daß man nicht wirklich erfrischt aufwacht (was in Nido und Refugio Berlin noch deutlicher wird). Dennoch ging es uns gut am nächsten Morgen und wir konnten wieder über den breiten Hang zum Hauptpfad (durch ein Büßereisfeld) zurückqueren. Auf diesem Stück lagen ein Bergsteiger-Paar mitten auf dem Weg, denen es wirklich schlecht ging. Die beiden waren von einer anderen Seite des Berges aufgestiegen und vom schlechten Wetter überrascht worden, so daß sie auf „unserer“ Seite absteigen mußten (das Zelt blieb zurück auf der anderen Seite). Sie waren die ganze Nacht über durchmarschiert und irgendwann am Ende ihrer Kräfte. Und das Bizarre: Sie hatten einen HUND dabei!!! Dem Hund ging es aber im Gegensatz zu Herrchen und Frauchen recht gut. Es waren bereits Leute von der Bergrettung vor Ort, die Hilfe leisteten. Aber die Warnung war bei uns angekommen, daß es am Aconcagua trotz der vielen Leute und der Park Ranger und der festen Camps schnell brenzlig werden kann.

Rangerstation auf dem Nido de Condores

Ab Cambio de Pendiente ändert sich die Steigung tatsächlich deutlich, das Gelände flacht ab, über einige schneebedeckte Wellen geht es rauf zum Plateau von Nido de Condóres auf ca. 5.570m. Ich habe (trotz der schönen Aussicht) selten einen menschenfeindlicheren Ort erlebt. Das Camp liegt auf einer großen, flachen Geröllfläche, rechts zieht sich der Anstieg weiter, es steht ein verlorener Campingwagen als Bergwacht-Unterkunft herum, hinter den umgebenden Felsen sind unglaubliche Mengen an Fäkalien verstreut und es gibt so gut wie keine windgeschützten Stellen (oder sie sind vergeben). Und das war ein Problem: ca. 2 Stunden, nachdem wir unser Zelt aufgeschlagen hatten (und natürlich schon wieder Schnee abkochten….), zog – bei absolut wolkenlosem Himmel – ein Sturm auf, der ca. 20h andauerte und so heftig war, daß wir die Hälfte der Zeit damit verbrachten, die eingedrückte Zeltwand mit unseren Füßen abzustützen. 2,3mal rissen sich die Verankerungen des Zelts los, das ganze wirkte ziemlich bedrohlich…

Dazu kommt, daß einem in fast fünfeinhalbtausend Metern die Höhe schon ziemlich zu schaffen macht. Zwar waren wir schon mehrfach in solcher und größerer Höhe, aber in Pakistan oder Nepal trekkt man tagelang langsam an solche Höhen heran, die 5000er-Marke wird meist nur auf Pässen oder auf Aussichtsbergen geknackt (also schnell rauf, schnell runter), aber 2 Tage dort oben zu schlafen ist dann doch eine andere Nummer. 5.500m Höhe ist die Marke, oberhalb derer kein Mensch sich dauerhaft akklimatisieren kann, ab da ist es ein Spiel auf Zeit.

Wegen dieser misslichen Umstände habe ich auch nur sehr wenige Bilder gemacht, wobei ich irgendwas an meiner Nikon verstellt hatte, das dazu führte, daß alle Bilder von Nido de Condóres und aufwärts bis auf ein paar unbrauchbar sind. Die guten Bilder vom Nido, Refugio Berlin und dem weiteren Weg zur Canaletta, die weiter unten ab Nido folgen, hat mir freundlicherweise Heiko Klimmer aus seinem Aconcagua-Bericht zur Verfügung gestellt.

Teil IX: Nido de Condores – Refugio Berlin (5.950m) – Gipfeltag (sozusagen)

Refugio Berlin (5.970m)

Nach einer unruhigen zweiten Nacht in Nido (wie gesagt, oben schläft man nicht besser), brachen wir unser Zelt ab und stiegen zum Refugio Berlin auf. Der gut erkennbare Weg ist nicht allzu steil, tagsüber war es fast windstill. Für die ca 400 Höhenmeter brauchten wir ca. 3,5h. Im angenehm windgeschützten Refugio Berlin, das schon seit ca. 100 Jahren so heißt, weil mal Berliner Bergsteiger dort eine Schutzhütte errichteten (jetzt verfallen), steht jetzt eine neue Schutzhütte, die aber wirklich nur für Notfälle gedacht ist und innen nicht besonders anheimelnd ist. Außen an der Hütte stand 2003 ein Schild mit der Aufschrift „Deutscher Alpenerein – Sektion Wuppertal, Berliner Hütte“, was schon ziemlich kurios anmutete. Abends war der Himmel immer noch klar, aber der Wind frischte wieder auf, die Temperaturen fielen auf unter -25 Grad. Außer uns waren noch ca. 20 andere Bergsteiger im Lager, davon 2 geführte Touren mit Bergführern.

Nach einer weiteren Nacht mit wenig Schlaf standen wir für den entscheidenden Gipfeltag auf. Es war um 5.00 Uhr früh immer noch sehr kalt und windig, aber wir beschlossen – nachdem wir genügend Wasser für unsere Trinksäcke abgekocht hatten – loszugehen und hofften, der Wind würde nicht zunehmen. Ohne größeres Gepäck schien der weitere Aufstieg doch ein bißchen weniger beschwerlich. Wir verließen als zweites Team das Lager, vor uns eine der geführten Gruppen mit 5 oder 6 Leuten.

Piedras Negras (ca. 6.200m)

Der Weg ab dem Refugio Berlin ist zunächst mal ziemlich steil, glücklicherweise lag nur sehr wenig Schnee, so daß wir nicht einmal die Steigeisen anlegen mußten. Nach ca. 400 Höhenmetern und 3 Stunden passierten wir das Lager Independencia (ca. 6.250m) mit seiner verfallenen Schutzhütte, wo aber heute eigentlich niemand mehr sein Zelt aufschlägt, dort eine kurze Rast. Das Wetter wurde immer bedrohlicher, der Wind war jetzt schon deutlich stärker geworden und es hing „hochmobiler Nebel“ in der Luft, dazu fiel leichter Schnee. Ach so, es war auch immer noch extrem kalt. Wir wunderten uns schon, warum trotz unseres nicht gerade sportlichen Tempos keine anderen Bergsteiger aufholten.

Nach ca. 3 weiteren Stunden kamen wir am sog. „Windy Gate“/Portuleza del Viento (ca. 6500m) an, der Name war jetzt schon Programm, aber wir hofften immer noch, daß sich der Wind mit zunehmender Morgensonne wieder legen würde. Von dort aus führte eine Querung ansteigend nach rechts rüber zur berüchtigten Canaletta („Kanälchen“). Auf der Querung lag dann doch soviel Schnee, daß wir die Steigeisen anlegen mußten, was auch eine Beruhigung darstellte, denn schon die Querung fällt relativ steil ab. Warum die Canaletta berüchtigt ist? Weil dieses 300m hohe Kanälchen, das bei 6.600m beginnt, eine Halde aus relativ losem Geröll und richtig, richtig steil ist („Two steps forward, one step back“).

An der Canaletta, (ca. 6.600m)

Daß solches Terrain in mehr als 6.500m Höhe kein Spaß wird, schwante uns jetzt, zumal das Wetter immer schlechter wurde, der Wind war mittlerweile ziemlich heftig geworden, Schnee fiel immer noch, so ganz wohl war uns nicht bei der Sache, vor allem, weil keine anderen Bergsteiger zu sehen waren. Finger und Füße waren schon nicht mehr wirklich warm zu bekommen. Wir hatten uns gerade die ersten Höhenmeter der Canaletta hochgeschnauft, als uns auf einmal die vor uns losgegangene argentinische Gruppe mit ihren beiden Bergführern aus dem Nebel von oben wieder entgegenkam. Die beiden Bergführer sagten uns, man habe sich das erste Drittel der Canaletta hochgekämpft und dann entschieden, daß es wegen des immer stärker werdenden „viento blanco“ zu gefährlich sei, noch weiterzugehen (der für den Aconcagua typische viento blanco entsteht durch Luftströmungen vom Pazifik, hat teilweise immense Windgeschwindigkeiten und gilt als gefährlich, trotzdem er von unten (siehe Bilder) eigentlich fast harmlos und hübsch aussieht). Natürlich waren wir entsetzt über die Vorstellung, so kurz vor dem Gipfel umzukehren. Nach einer kurzen Beratung haben wir uns dann aber doch entschieden, umzukehren, weil uns die Aussicht, dort oben bei diesem Wetter wahrscheinlich ganz allein zu sein, Respekt einflößte, zumal wir das bei Camp Canada zusammengebrochene Pärchen noch vor Augen hatten. Und wir wären allein gewesen, denn alle anderen Teams waren erst gar nicht aus dem Lager Berlin aufgebrochen, wir wir später feststellten.

Wir drehten also um, trotteten hinter der Gruppe her zurück ins Refugio Berlin, bauten das Zelt ab und weiter nach unten. In Nido angekommen, war das Wetter immer noch richtig mies, so daß wir uns entschieden, ganz bis ins Basislager abzusteigen, denn noch eine Nacht so weit oben schien uns schlicht zu anstrengend zu sein. Eigentlich hätten wir noch genügend Zeit für einen zweiten Versuch gehabt, aber wenn man einmal wieder unten in der (relativen) Wärme und in der (vergleichsweise) dicken Luft ist, hat man (zumindest wir) einfach genug. Die Aussicht auf Sonne, Wärme, Wasser aus dem Hahn, ein Bad, Steaks, Bier erschien uns einfach reizvoller. Auch ohne den Gipfel erreicht zu haben, war die Tour ein großes Erlebnis!

Teil X: Abstieg – Mendoza

Zum Abstieg gibt es nicht viel zu sagen, wir haben es uns in Mendoza und Buenos Aires gutgehen lassen und daran gearbeitet, die 7 bzw. 10kg Gewichtsverlust, die uns die 2 Wochen am Aconcagua gekostet hatten, wieder aufzuholen.