Onega-See

I. Der unsichtbare Ladoga-See

(Fast!) am Ladoga-See

Nach 2,5 Tagen in Sankt Petersburg ging es dann los ins wahre Karelien. Die Stadtautobahnen von Sankt Petersburg konnten wir schnell meistern, denn bereits dort unten ist Murmansk ausgeschildert und den ersten Teil der Strecke wollten wir auf der M18, der großen Magistrale in den Norden, schnell abreißen, um dann hinter dem Ladoga-See auf kleinere Landstraßen abzubiegen. Den Ladoga-See kennt kaum jemand, aber es ist der größte See Europas. Er ist fast 220km lang und rund 120km breit, was rund 17.700 Quadratkilometer ergibt, allein seine Inseln haben mehr Fläche als der ganze Bodensee. Die M18 führt relativ nah am südlichen Rand entlang, wir beschlossen, in Novje Ladoga von der Magistrale abzubiegen, um einen Blick auf den See zu werfen. Aber was soll ich sagen: Es war wie verhext, wir haben den größten See Europas nicht „finden“ können. Soll heißen, wir haben es nicht geschafft, irgendwo ans Seeufer zu kommen. In Novje Ladoga und auch in 2 weiteren Ortschaften am südlichen Ufer war es nicht möglich, irgendwie ans direkte Seeufer zu gelangen. In den Dörfern gab es immer zahllose natürliche und künstlich angelegte Kanäle, die irgendwo in den See mündeten, aber egal wie weit wir durch dieses Labyrinth fuhren, der offene See war nicht zu sehen. Strange! Vielleicht lag es daran, daß der See zumindest im Südteil von einem großen Schilfgürtel und Marschen umgeben ist und die Dörfer daher alle in einiger Entfernung angelegt wurden.

II. Auf kleinen Straßen zum Onega-See

In den Wäldern Süd-Kareliens

In Lodejnoje Polje verließen wir die M18, um auf Straßen der „2. und 3. Ordnung“ über Podporyzhe und Tokari nach Nordosten zum Onega-See zu fahren, wo wir in Petrozavodsk übernachten wollten. Nach kurzer Asphalt-Strecke hatten wir dann endlich mal eine Dirt Road unter den Reifen, das Cruisen auf vollkommen menschenleeren Straßen durch die Wälder machte einen Heidenspaß und endlich waren wir auch offiziell vom Leningradskaya Oblast in die Republik Karelien gewechselt. Ziemlich schnell zeigte sich hier, daß unsere Karelienkarte von einem finnischen Verlag nicht wirklich auf aktuellem Stand war, denn daß sich die „schwarz“ markierte (und damit kleinste) Straße auf einer (zugegebenermaßen nicht sehr langen) Strecke in einen üblen Forstweg mit 30-40cm tiefen Spurrillen verwandelte, war aus der Karte jedenfalls nicht erkennbar. Für mich war das die erste Off-Road-Prüfung, mit den Füßen paddelnd relativ steile Abfahrten und Steigungen zu meistern, während die Fußrasten und Koffer im seitlichen Matsch scharren, war schon eine veritable Herausforderung, die ich aber sturzfrei gemeistert habe (Victory-Zeichen hinzudenken!). Außerdem führte uns die Karte einmal in eine Sackgasse. Mitten im Wald trafen wir aber einen sehr schrägen Waldarbeiter, der in einem Bauwagen hauste und uns den richtigen Weg zeigen konnte.

Schon hier zeigte sich ein großes Manko bei der Kommunikation mit den Russen: Mein Russisch ist _sehr_begrenzt, daher bat ich die Angesprochenen immer, möglichst langsam und einfach zu sprechen. Aber jedes Mal wurde im russischen Stakkato auf uns eingeredet, ohne wenigstens mit Handzeichen die Wegbeschreibung anzuzeigen. Irgendwie hat diese geistige Transferleistung „Ausländer, kann wenig Russisch, ich mach es mal ganz simpel“ so gut wie kein Mensch hinbekommen. Na ja, das gehörte auch irgendwie zum Appeal der Reise in diese untouristische Region. In dieser noch recht südlich gelegenen Gegend war es im Juli noch bis ca. halb 23.30 hell, wir erreichten Petrozavodsk erst nach Einbruch der Dunkelheit und checkten im zentral gelegenen Severnaja Hotel ein, wo uns die sehr freundliche Rezeptionistin, die sehr gut Deutsch und Englisch sprach, wegen des späten Check-Ins die erste Nacht schenkte (wie sich am nächsten Tag, als ich die zweite Nacht bezahlen wollte, zeigte. Feiner Zug von ihr!).

III. Petrozavodsk

Petrozavodsk ist die Hauptstadt Kareliens und liegt am Nordwestufer des Onega-Sees. Der wiederum ist nach dem Ladoga-See der zweitgrößte See Europas. Den kennen aber noch weniger Menschen als den größten nebenan. Nach Patrozavodsk kommen relativ viele russische Touristen, weil es der Startpunkt für Ausflüge zu den berühmten Holzkirchen auf der Insel Kishi ist. Da wollten wir am nächsten Morgen auch hin, aber da es schon beim Aufstehen in Strömen regnete, verschoben wir das auf den nächsten Tag und verbrachten den Vormittag mit Lesen. Am Nachmittag klarte es dann auf und wir machten einen „Zug durch die Gemeinde“, also an die Uferpromenade. Auch dort standen wieder einige Hochzeitsgesellschafter herum, die sich vor der malerischen Kulisse ablichten ließen. Die Promenade war wirklich nett, am Hafen gab es noch einen kleinen Jahrmarkt mit deutlich sozialistischem Charme, daneben – thematisch passend – einen Nachtclub mit dem Namen „Das Kapital“ in der Uliza Karla Marksa.

III. Die Holzkirchen von Kishi

Auf der Insel Kishi

Am nächsten Morgen schien dann wieder die nordische Sonne und wir schifften uns ein zur Fahrt auf die Museumsinsel Kishi. Für die Halbtagestour zahlt man ca. 25 EUR, obendrauf kommt noch der Eintritt auf der Insel. Die Touren werden mit Tragflächenbooten (russisch: Rakjeta) der Marke „Meteor“ durchgeführt. Diese Boote sind ein ganz großer Spaß! Nach kurzer Beschleunigung heben sie sich bei ca. 35 km/h auf den Tragflächen aus dem Wasser und beschleunigen dabei bis auf ca. 65 km/h und bleiben dabei angenehm leise. Nach ca. 1,5h rasender Fahrt bog das Schiff in eine Art Schärenlandschaft, die wunderschön anzusehen war, so hatten wir uns Karelien vorgestellt! Wasser, Wälder, Inseln. Und bald kam auch die berühmteste Insel Kareliens ins Blickfeld, die Insel Kishi, die mit ihren Holzkirchen zum UNESCO Weltkulturerbe gehört.

Die Holzkirchen von Kishi wurden im 18. Jahrhundert von Bauern zum „Hausgebrauch“ erbaut, also ausnahmsweise mal nicht von Adligen in Auftrag gegeben. Das gesamte Areal diente den Bewohnern der Region auch als Marktplatz und Ratsversammlung. Neben dem zentralen Ensemble, das aus der Verklärungskirche mit ihren 22 Zwiebeltürmen, dem Glockenturm und der Kirche „Maria Schutz und Fürbitte“ (auch bekannt als „Winterkirche“)  besteht, liegen auf der Insel ein paar kleinere Kapellen und wunderschöne karelische Bauernhäuser. Das alles liegt in malerischer Landschaft, die man auf einem Rundweg in ca. 2h erkunden kann. Die Kirchen wirken durch die Holzarchitektur zunächst sehr rustikal, sind aber mit sehr farbiger Ikonographie ausgeschmückt.

Nach der Rückkehr nach Petrozavodsk sammelten wir unser Gepäck im Severnaja Hotel ein, tranken in einer auf bayrisch getrimmten Bierstube mit dem unbayrischen Namen „Neubrandenburg“ einen Kaffee und brachen dann Richtung Norden auf, um irgendwo wild zu campen. Ein kurzer Stopp bei einem eher unspektakulären Wasserfall schlug mit immerhin 5 EUR Eintritt zubuche. Durch reinen Zufall fanden wir dann am Ende einer Forststraße einen genialen Campingspot am Ufer eines einsamen Sees. Keine Minute nachdem wir das Zelt aufgebaut hatten, begann es in Strömen zu regnen, so daß wir unter dem mickrigen Vorzelt kochen mußten, während sich drumherum veritable Pfützen bildeten. Sogar ein Frosch stellte sich bei uns unter. Urig :-)

HIER geht´s weiter nach Nord-Karelien

HIER geht´s zurück nach Sankt Petersburg