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Die Marienburg – Tagestrip ins Mittelalter

Ihr würdet gerne mal eine echte Ritterburg besuchen, aber nicht den weiten Weg bis nach Südfrankreich oder nach Schottland fahren?

Dann solltet Ihr die Marienburg im polnischen Malbork, ca. 70km süd-östlich von Danzig, ansteuern! Von Berlin aus seid Ihr in ca. 5 Stunden dort.

Mehr Ritterburg geht kaum, schließlich ist die Marienburg das größte Backsteingebäude Europas und perfekt erhalten bzw. restauriert. Die Marienburg gehört seit 1997 zum Weltkulturerbe der UNESCO.

Wir haben die Marienburg auf dem Weg nach Masuren im Sommer 2017 besucht. Dieser kurze Artikel soll Euch einen kleinen Überblick über die Geschichte der Marienburg und ihre heutigen touristischen Reize geben.

Zwischen Vorschloss und Mittelschloss

1. Geschichte der Marienburg

In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts rief der polnische Herzog Konrad I. von Masowien die Ritter des Deutschen Ordens zur Hilfe gegen die Pruzzen, die heidnischen Bewohner der Gebiete zwischen der Weichsel und der Memel. Die Ordensritter ließen sich für ihre Hilfe zusichern, daß alle eroberten Gebiete nach der Unterwerfung und Missionierung an den Orden fallen sollten.

Nach den ersten militärischen Erfolgen bauten die Ordensritter zwischen 1270 und 1300 am Fluss Nogat, einem Mündungsarm der Weichsel, die Marienburg als Sitz des sog. Landmeisters, einer Art Statthalter des Ritterordens. Ihren Namen erhielt die Burg von der Schutzpatronin des „Ordens der Brüder vom Deutschen Haus St. Mariens in Jerusalem“, so der vollständige Name des Ordens.  Nachdem die Ritter im Heiligen Land immer weiter zurückgedrängt wurden, verlegten der Hochmeister Siegfried von Feuchtwangen seinen Amtssitz zunächst von Akkon nach Venedig und schließlich im Jahr 1309 in die Marienburg.

Modell der Marienburg

Von 1309 bis 1457 herrschten die Deutschritter über ein Territorium, das weite Teile Ostpreußens und des Baltikums umfasste, bis sie in der Schlacht von Tannenberg (1410) entscheidend vom polnisch-litauischen Heer geschlagen wurden und im sog. dreizehnjährigen preußischen Städtekrieg noch weiter geschwächt wurden. Zwar konnte der Orden die Marienburg halten, der letzte Hochmeister geriet jedoch mit Soldzahlungen an seine Söldner in Verzug und mußte die Burg verpfänden. Die Söldner verkauften die Burg dann 1457 kurzerhand an den polnischen König.

Für die nächsten ca. 300 Jahre war die Marienburg überwiegend im Besitz Polens und Sitz der polnischen Könige, bis sie im Jahr 1772 an das Königreich Preußen fiel. Während der Kaiserzeit spielte die Burg eine wichtige Rolle für die nationale Identität, eine Ideologisierung, die die Nazis ab 1933 noch verschärften, indem sie die Festung als „Burg des deutschen Jungvolks“ ausbauten. Bei der Belagerung am Ende des 2. Weltkriegs wurde die Marienburg zu 60% zerstört, aber bereits 1946 begannen polnische Restauratoren mit dem Wiederaufbau, bei der Restauration wurden auch bauliche Veränderungen, die im 18. und 19. Jahrhundert in Mode gewesen waren, wieder „zurückgebaut“, so daß die heutige Burg derjenigen aus dem 15. Jahrhundert wieder sehr ähnlich sieht.

Mehr zur (komplizierten) Geschichte des Deutschen Ordens und der Marienburg lesen möchte, kann den verlinkten Einträgen bei wikipedia folgen.

2. Die Marienburg heute

Wenn Ihr in Malbork ankommt (Google Maps Link zur Marienburg), findet Ihr auf der gegenüberliegenden Seite der Nogat große (kostenpflichtige) Parkplätze und könnt die Burg erst einmal im Panorama bestaunen. Schon der erste Blick macht mächtig Eindruck, massive, hohe Mauern reichen bis ans Flussufer, darüber ragen Mauern, Wehr- und Kirchtürme in den Himmel. 

Die Marienkirche, von außerhalb der Burgmauern gesehen.

Über eine Fußgängerbrücke gelangt zum Fuß der Burgmauern und müsste links herum zum Besucherzentrum spazieren. Dort bekommt Ihr für 29.50 PLZ (ca. 7 EUR) Euer Ticket und einen Audio-Guide. Der Audio-Guide ist sehr gut gemacht, unbedingt mitnehmen!

Anschließend betretet Ihr – stilecht über eine Brücke über den Burggraben und durch ein Fallgitter-Tor – die Marienburg.

Die Brücke über den Burggraben

Eingangstor mit Fallgitter

3. Das Mittelschloss

Nach dem Eingangstor öffnet sich der große Innenhof des Mittelschlosses.

Im Mittelschloss befanden sich die Verwaltungsgebäude des Ordens, der Rittersaal, die Schlafsäle für die Ritter, die Küche, Gästekammern und – als Anbau – der Palast des Hochmeisters. 

Blick vom Turm der Marienkirche auf das Mittelschloss

Der Audio-Guide lotst Euch durch die verschiedenen Abschnitte der Gebäude und Ihr bekommt eine Menge Wissenswertes über das mittelalterliche Leben in der Ordensburg. Schon in diesem ersten Teil fielen uns die außergewöhnlichen Dimensionen der Burg auf. Während man in den mittelalterlichen Burgen in z.B. Schottland meistens durch enge Gänge und dunkle, kleine Zimmer wandert, war hier hell und großzügig gebaut.

Highlight auf diesem Teil der Besichtigungstour war der Rittersaal, der dem Hochmeister zu Repräsentationszwecken diente, ein großer, lichtdurchfluteter Raum in gotischer Architektur, verziert mit prachtvollen Fresken, die die Geschichte des Ordens darstellen. Der Rittersaal wird auch Großer Remter genannt, also Großer Speisesaal, denn hier fanden Bankette der Ordensführung, Rittern und Gästen statt. Eine Besonderheit des Großen Remters ist das Heizungssystem, für das warme Luft aus unteren Stockwerken durch Löcher im Boden in den Raum geführt wurde, eine im Mittelalter seltene Einrichtung.

Rittersaal/Großer Remter

„Chefsessel“

Fresken im Großen Remter

Weiter geht die Tour in den Palast des Hochmeisters. Dort findet sich der (relativ spartantische) Winterremter und der wiederum prachtvoll ausgeschmückte Sommerremter. Auch diese beiden Räume dienten den Repräsentationszwecken des Hochmeisters und werden von Kunsthistorikern zu den bedeutendsten Räumlichkeiten des späten Mittelalters gezählt.

Sommerremter

Wandschmuck im Sommerremter

Nach den beiden Remtern führt Euch der Audioguide weiter in die kleinen und farbenfroh dekorierten Privatgemächer des Ordenshochmeisters. Leider ist kein zeitgenössisches Mobiliar mehr vorhanden, so daß man etwas Phantasie braucht, um sich den bewohnten Palast vorzustellen.

Privatgemächer des Hochmeisters

Irgendwas mit Otto von Braunschweig :-)

4. Das Hochschloss

Über eine weitere Brücke gelangt Ihr dann vom Mittelschloss ins Hochschloss. Das fast quadratisch angelegte Hochschloss ist der älteste Teil der Burg. Hier findet Ihr u.a. den Schlafsaal (Dormitorium) der Ritter und das sog. Konventshaus, wiederum mit eigenem Speisesaal.

Übergang zum Hochschloss

Der Audioguide führt Euch zunächst einmal durch den Rosengarten des Schlosses, in dem man auf diese „märchenhafte“ Flora trifft:

Anschließend kommt Ihr in den Schlosshof:

Innenhof des Hochschlosses

Kreuzgang im Hochschloss

Im prachtvollen Konventssaal kamen die Ritter zu ihren Beratungen und zum Gebet zusammen, wenn der Hochmeister nicht involviert war. Das hölzerne Gestühl, das den Saal umläuft, stammt allerdings nicht aus dem 15. Jahrhundert, sondern wurde im 19. Jahrhundert erneuert.

Konventssaal

Nebenan betretet Ihr den sog. Konventsremter, den weniger repräsentativ ausgestalteten Speisesaal der Ritter, in dem man sich aber gut in die damalige Lebenswelt hineinversetzen kann.

Konventsremter

Hauptbau im Hochschloss ist die hoch aufragende Marienkirche, die im Laufe der Zeit aus einer ursprünglich kleinen Kapelle entstanden ist. Die Marienkirche wurde im 2. Weltkrieg fast vollständig zerstört und über Jahrzehnte hinweg restauriert. Erst seit 2009 ist sie wieder für Besucher zugänglich. Uns hat beeindruckt, wie die Restauratoren darauf geachtet haben, daß für die Besucher klar erkennbar ist, welche Teile des Gebäudes original und welche neu erbaut wurden.

In der Marienkirche

Darstellung des Letzten Abendmahls (14. Jahrhundert), Marienkirche

So, das war der kurze Bericht über einen sehr lohnenswerten Tagestrip, solltet Ihr einmal in der Gegend sein. Danzig, die polnische Ostseeküste und Masuren sind sowieso eine Reise wert, also…!

Wer auf dem Weg zur oder von der Marienburg Richtung Osten, ins wunderschöne Masuren ist, sollte unbedingt in Elblag vorbeischauen. Viele, gute Infos gibt es hier:
Gooutbecrazy – Elblag

Ich freue mich wie immer über Kommentare und konstruktive Kritik. 

Christian

 

6 Kommentare

  1. Hallo Christian,
    oh wie toll, von dem Reiseziel ist eher selten zu lesen. Ein schöner Bericht und tolle Fotos! :-)

    In Malbork war ich auch schon, da ganz in der Nähe noch Familie von meinem Freund wohnt. So konte ich die beeindruckende Burg auch schon ausführlich besichtigen. Überhaupt gibt es viele schöne Ecken in Polen.

    Liebe Grüße
    Iris von Ich Reise Immer So

  2. Christian sagt

    Hallo Geertje,

    stimmt, die passt wirklich gut. Leider kann ich Dir nicht verraten, wie der Künstler heißt.

    Grüße
    Christian

  3. geertnerin sagt

    Wir lieben die Hofinstallation – von welchem Künstler ist die?

  4. Christian sagt

    Hallo Jessica,
    freut mich, daß Du mit den Informationen etwas anfangen kannst. Noch ein Tip: Die Burg ist ziemlich beliebt und im Sommer auch richtig voll. Daher würde ich raten, sofern es zum Zeitplan passt, gleich morgens reinzugehen, dann ist es angenehm leer.

    Grüße
    Christian

  5. Danke für den tollen Bericht und die eindrucksvollen Bilder. Ich suche mir gerade Informationen über Polen zusammen, da wir im nächsten Jahr einen Roadtrip dorthin planen. Da muss die Marienburg auf jeden Fall ebenfalls auf die To-Do Liste.

  6. finepaula sagt

    Was für eine beeindruckende Burg! Vielen Dank für den ausführlichen Bericht. Die Bilder sind super und machen Lust das ganze Bauwerk selbst zu erkunden ☺️

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